Portrait der Profi Boxering Marina Sakharov, die durch LifeQode gesponsert wird.

Forbes Magazin 04.2021
Forbes Magazin 04.2021
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Über den Weg der Tochter weltberühmter Musiker zum Profiboxsport.

Marina Sakharovs Mutter spielte Geige im Orchester, ihr Vater Klarinette als international nachgefragter Solist, den seine Karriere in die Metropolen dieser Welt und bekannte Locations wie beispielsweise das Sidney Opera House führte: „Dabei reiste die Familie immer mit. Ich bekam Fernunterricht und spielte meist mit den Kindern von Konsulats- und Botschaftsangehörigen.

Meine Eltern hätten eine Musikerkarriere meinerseits nur allzu gerne gefördert.“ Tatsächlich aber fiel die Wahl der Französin im Alter von fünf Jahren auf das Ballett, weil sie davon träumte, professionelle Tänzerin zu werden: „Leider bekam ich mit zehn Hüftprobleme und musste das Tanzen aufgeben.“

So wechselte die heutige Sportlerin zum Klavier: „Bei allem, was ich jemals in meinem Leben in Angriff genommen habe, hat mir das Vorbild meiner Eltern sehr geholfen. Beide setzten sich immer wieder neue Ziele und arbeiteten anschließend an deren Verwirklichung.“ Dies prägte die junge Marina und weckte ihren Willen, grundsätzlich die Beste zu sein. „Ich hatte Top-Klavierlehrer und wurde entsprechend gut. Meinem Pferde-Hobby konnte ich nur am Rande nachgehen, weil meinen Händen nichts passieren durfte“, erinnert sie sich. „Deswegen konnte ich auch meinen Bruder nicht beschützen, wenn der in der Schule Ärger bekam. Nach der Trennung meiner Eltern stand ich mit 16 vor der Frage, ob ich professionelle Pianistin werde“

Glaube an die eigenen Stärken

Die heute 34-jährige entschied sich dagegen, auch gegen eine Tätigkeit als Klavierlehrerin: „Entweder Profi oder gar nicht. Also gar nicht, denn damals hatte ich Lampenfieber.“ Das Boxen kannte die Jugendliche damals nur aus dem Fernsehen, wenn ihr Vater sich Kämpfe ansah und sie an seiner Seite mitschaute: „Ich war dann jedes Mal wie elektrisiert und entschied mich mit 16, Boxerin zu werden. Meine Mutter schenkte mir ein Paar Boxhandschuhe und nach meiner Anmeldung in einem Boxstudio wollte ich auch an Kämpfen teilnehmen. Mehrere Trainer bescheinigten mir durchaus Potenzial, doch war es noch ein weiter Weg zur Federgewichtsboxerin.“

Auf diesem Weg lernte Marina Sakharov, dass es Körper und Geist braucht, um zur Siegerin zu werden. Angst vor den Kämpfen oder mit den Schlägen verbundenen Schmerzen hatte sie nie. Da war nur die Angst vor sich selbst, die sie überwand, indem sie begann, sich auch um ihre mentale Ebene zu kümmern. Verlor sie zu Anfang noch häufiger, hilft ihr heute der Glaube an die eigenen Stärken durch jeden Fight: „Ich schob alles Negative beiseite und umgab mich mit positiven Menschen. Was ich im Laufe meiner Karriere gelernt habe, möchte ich später an andere Menschen weitergeben.“

Erste Erfahrungen als Mental- Coach sammelte sie bereits: „Leider bringt ein Teil der Menschen so gut wie keine Disziplin mit.“ Ihre eigenen 100 Prozent Fokus erwartet sie auch von anderen: „Coaching kann jede Menge Freude bereiten, wenn die Leute voll bei der Sache sind. Ein Großteil der innerlichen Stärke, die ich dabei weitergebe, beruht darauf, dass mir auf meinem Weg als Boxerin nie etwas auf dem silbernen Tablett serviert wurde.“

Mindestens drei Stunden Training täglich

Mit 19 verlor sie ihren Vater und hing ihr auf elterlichen Wunsch gerade erst begonnenes Jurastudium an den Nagel: „Fünf Tage die Woche in einem Büro, überhaupt ein normales Leben, das wollte ich nicht für mich.“ So wundert es auch nicht, dass sich die Selfmade-Sportlerin selbst managed: „Nicht andere, sondern ich selbst entscheide für mich.“ Vorbilder der französischen Boxerin sind Muhammed Ali und Mike Tyson. Beide wurden als bescheidene Menschen im Ring zu Champions und wie Mike Tyson hat Marina Sakharov ein großes Faible für Tiere: „Wenn ich beim Training im Elsass durch die Weinreben renne, sind meine Hunde mit dabei. Stehe ich im Keller in meinem selbstgebauten Ring, werde ich vom fröhlichen Gezwitscher meiner Vögel inspiriert.“

Natürlich stellen mindestens drei Stunden Training täglich einen hohen Anspruch an die Qualität der Nahrung: „Ich achte darauf, was mein Körper braucht aber ich übertreibe es nicht. Vitamine sind wichtig aber sporadisch mal eine Pizza oder auch ein Bier richten keinen Schaden an. Auch hier kommt es auf das richtige Maß an.“ Logischerweise wird die Ernährung insbesondere in den Tagen vor dem Kampf angepasst. So auch vor ihrem letzten Kampf gegen Beke Bas aus Lemgo im Agon Sportpark in Berlin Charlottenburg, der aus dem Beitritt der Federgewichtsboxerin in den Deutschen Boxerverband resultierte.

Am 24. September 2021 unterlag Marina Sakharov der Deutschen mit 54:60 Punkten. Was für sie nichts daran ändert, dass man im Ring auch als Frau Champion sein kann: „Dieses Mal war es meine Gegnerin, nächstes Mal bin es wieder ich, deren Arm vom Ringrichter nach oben gehoben wird.“ Im Laufe ihres Lebens hat die Straßburgerin schon viel zu viel dafür gegeben, im Ring stehen zu können, als dass ihr solch eine Niederlage den Spaß an ihrem Sport nehmen könnte. Und so wird die Beauty schon bald wieder als Beast mit ihrer Eleganz den Ring verzaubern.

Marina Sakharov gilt als untypisch für das Boxen, was unter Umständen aber auch an den Klischees liegt, die das Bild dieses Sports prägen. Da sind auf der einen Seite ihre Leidenschaft für das Piano und ihr Faible für Tiere und auf der anderen Seite die Kämpferin im Ring, die auszuteilen weiß, wenn es darauf ankommt. Was auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen will, ist sich auf den zweiten Blick schon wesentlich näher. Klavierspiel und Boxkampf bieten beide die Möglichkeit, sich selbst auszudrücken und Tiere können nicht unfair sein. Einer festen Partitur zu folgen und im nächsten Moment zu improvisieren passt zum Boxring wie zum Grandpiano.